Statements zu meinen Arbeiten

Emotionale Eindrücke aus Erlebnissen, Zeitereignissen oder Farben der Natur inspirieren mich. Sie verbinden sich mit Texten aus klassischer oder moderner Literatur, deren Geschichten ich durch Überlagerung und Verdichtung der Linien in meinen Bildern verberge, wie ein Abdruck, einen Akkord der Musik.

Auszug aus der Einführungsrede von Stefan Tolksdorf, Kunsthistoriker

Das Verhältnis von Schrift und Bild, meine Damen und Herren, füllt Bibliotheken. Für Christa Frey, die Malerin aus March, liegt die Schrift dem Bild buchstäblich zugrunde, ohne dass es zum Schriftbild, gar zur Bildschrift würde. Die Sprache als Übermittlerin konkreter Botschaften hat sich aus ihrem Werk nahezu gänzlich verabschiedet. Sie mutiert zum grafischen Zeichen, zum Krakelee, zur freskösen Ritzung. Am Beginn dieser entschieden informellen, farbgestischen Ausrichtung stand das Studium der Kalligraphie.

Dem wiederum ging ein Schock voraus – der des 11. Septembers.
Das Grauen stürzender Menschen und einstürzender Zwillingstürme, vor dem selbst Fotografie und Film versagte, stellte die Ausdruckskraft des bildnerischen Mediums für die Malerin prinzipiell infrage.  Wie danach weiter malen?

Die persönliche Lösung der Künstlerin bestand in der optisch sinnfälligen aber jeder Verbalisierung sich entziehenden Verschmelzung von Schrift und Bild. Indem sich die Botschaft auflöst, befreien sich auch die malerischen Mittel, darf Farbe sich freier bewegen, in Schlieren verlaufen. Geschüttelt, gewalzt, gekratzt, ist sie primär Empfindungsträger.
So lassen sich in der farblyrischen Gestimmtheit von Freys Bildern ihre Titel wiederfinden: die tänzerische Aussgelassenheit des „Strandfests“, der rhythmische Einbruch des „Amsellieds“, die grüne Frische des „Wiesenstücks“ – ein geradezu klassisches Frühlingsbild.
Das lastende Blockweiß des Winters.
Vor allem in meinem persönlichen Favorit als bekennender Romantiker: dem „Blautopf“.
Bildverzehrend dies fließende Blau!
Ob sich in den kalligraphischen Schwüngen darüber Mörikes „Historie von der schönen Lau“ verbirgt?
„Im Schwabenlande, auf der Alb, bei dem Städtlein Blaubeuren, dicht hinter dem alten Mönchskloster, sieht man nächst einer jähen Felsenwand den großen runden Kessel einer wundersamen Quelle, der Blautopf genannt. Gen Morgen sendet er ein Flüsschen aus, die Blau, welche der Donau zufällt. Dieser Teich ist einwärts wie ein tiefer Trichter, sein Wasser von Farbe ganz blau, sehr herrlich, mit Worten nicht wohl zu beschreiben; wenn man es aber schöpft, ist es ganz hell in dem Gefäß.“

Bildstimmung und Text – klingen sie nicht ideal zusammen?
Kaum zu glauben, aber wahr: Jedem von Freys Bildern sind Texte unterlegt,  die palimpsest-artig im Malprozess aufgehen. Ihren Bildern ist die Lust am Rhythmus, die Freude am Farblicht eingeschrieben.

Habsburgerstr. 2, 79104 Freiburg

Auszug aus der Einführungsrede Dr. Friederike Zimmermann

Sie alle kennen vermutlich den berühmten Ausstellungstitel  „Vom Klang der Bilder“, einer Stuttgarter Schau aus dem Jahr 1999, die bildliche Entsprechungen der Musik bzw. deren analoge Ausprägungen in Farbe und Form zusammengetragen hat. Oft wurde sie seitdem bemüht – diese Verbindung zwischen Musik und Bild, zumal, wenn der/die Künstlerin neben der Malerei auch Musik ausübt oder, wie Christa Frey, ursprünglich Musikerin war.

Umso erstaunlicher ist es, dass bei ihren Werken nicht vordergründig die Musik das bildauslösende Moment ist, sondern eine ganz andere Kunstform, nämlich die Poesie: Es ist die Sprache, die in diesen ansonsten rein abstrakten Bildern Einzug hält und sich in unzähligen Linien und deren Überschneidungen durch Form und Farbe manifestiert.
Zum Teil wird die Schrift sogar mit Flaschen aufgetragen, diese werden gehandhabt wie Pinsel. Oder die Schriftzeichen werden filigran in Tusche gesetzt. Auf diese Weise entstehen viele Schichten übereinander, trocknen, werden überschrieben, trocknen wieder usw..  Hinzu treten Farbfelder, Farbblöcke, Verwischungen, die die kalligrafischen Elemente immer mehr entfremden und zuweilen sogar Assoziationen zu Düften wecken können.

So wird die Sprache schließlich zu Bildern, die wiederum der Musik sehr nahe kommen, bzw. jene Intermedialität aufscheinen lassen, wie sie auch bereits der erwähnten Stuttgarter Ausstellung zugrunde lag; nur eben auf Umwegen. Denn: Vermeint man nicht in diesen Farbflächen musikalische Stimmungen? Oder hinter den Liniengeflechten eine musikalische Werkstruktur? Tatsächlich veräußern diese Bilder Rhythmus und Melodie – Sprachmelodie sogar? – jene Elemente mithin, die die beiden Kunstformen  Musik und Poesie  zu Schwesternkünsten vereinen.

In der Tat prägten Lyrik und Prosa die Künstlerin von früher Jugend an. Unzählige Gedichte vermag sie aus dem Stand zu rezitieren. Sie kommen ihr so selbstverständlich über die Lippen, als seien sie ein Teil ihrer Natur und ihres gesamten Denkens. Zu Beginn ihrer malerischen Laufbahn verliefen die Worte noch parallel zum bildnerischen Schaffen. Um dann auf direkte Weise ins Bild mit einzufließen – dafür bedurfte es eines direkten Auslösers, der zunächst ihr gesamtes bildnerisches Schaffen zum Erliegen brachte: Das war 2001, als der „9/11“ genannte Anschlag auf die New Yorker Twin-Towers die Welt aus ihren Angeln hob und auch die Künstlerin in eine regelrechte Schockstarre versetzte. Erst über die Sprache konnte sie sich daraus wieder befreien. Seitdem sind es Worte, Geschichten und Gedichte, Briefe vielleicht, auch eigene Texte jedenfalls, die jedem Bild zugrunde liegen. „Am Anfang war das Wort…“ – so könnte man diese Ausstellung daher auch überschreiben.

Man darf sich Christa Freys Vorgehensweise vielleicht folgendermaßen vorstellen: Zunächst ist da die Stimmung, die die Auswahl der Texte bestimmt oder besser: die bei der Künstlerin spontan einen bestimmten Text in Erinnerung ruft. Mal ist es Wut, mal ist es Trauer; mal ist es Zufriedenheit oder eben auch einfach das pure Glück.
Die Emotion, die für ihre Text-Wahl ausschlaggebend war, kanalisiert sich quasi in diesem Text und fließt über den Wortsinn direkt ins Bild ein. Diese Schriftzeichen wiederum verdichten sich und übertragen die ihnen zugrunde liegende Stimmung ins Bild: sei es mittels der Farbgebung – diese kann sehr kräftig, leuchtend, dann wieder zurückhaltend, harmonisch sein – , oder mittels des mal wild gestikulierenden, mal regelrecht gezähmten Pinselduktus‘.

So wird die Sprache zum Werkzeug, zum Mittel und Medium, und zeigt sich somit in ihrer ursprünglichsten Form. Denn ist die Sprache nicht ursprünglich entstanden aus Bildern und Symbolen? Gewiss, wir finden in Christa Freys Bildern weder Abbilder noch Symbole vor; – dennoch, es lassen sich aus diesen abstrakten Liniengeflechten und Farbformen ganze Geschichten herauslesen.

Es bleibt Christa Freys großes Geheimnis, welche Worte in ihren Bildern verborgen sind. Nur manchmal verrät sie, welche es waren; und manchmal hat sie es auch vergessen. Häufig sind es Gedichte. Sie schrieb dazu in ihrem Statement zur Ausstellung, es gehe ihr um das „Einschließen von Aussagen“. Die Worte werden zu Zeichen, die wir nicht mehr lesen können – und wie eine Art Fremdsprache vernehmen wir deren Klang, ohne ihre Bedeutung zu verstehen. Die Worte werden zur immanenten Bildaussage, verweilen aber immer im Hintergrund.

Wenn Sie sich nun vor diese Bilder stellen, so werden Sie vielleicht – mal flüsternd leise, mal laut und ungestüm – all die darin enthaltenen Worte vernehmen, die hier ihren Niederschlag fanden. (Im übrigen eine Herangehensweise, die sich grundsätzlich bei der Bildbetrachtung bewährt.)
Doch ist es nicht erst dieses Wissen um jene eruptive Wortgewalt in Christa Freys Bildern, die uns nun zu „Mitwissern“ oder „Teilhabern“ ihres inneren Movens werden lässt. Längst haben sich diese Bilder von ihren sprachlichen Wurzeln gelöst, ja, regelrecht  befreit,  und offenbaren sich uns als eigenständige Kunstwerke, deren Authentizität uns beim Betrachten so sehr berührt – ohne dass uns bewusst wäre, warum.

Großherzogliches Palais Badenweiler, Schlossplatz

Auszug aus der Einführungsrede Susanne Meier-Faust M.A.

Christa Frey aus Freiburg stellt ihre Malerei und Grafik mit neuen charakteristischen Arbeiten vor. Diese leben aus dem Duktus, der sich mit dem Erleben von inneren Freuden und Spannungen einstellt, einem Duktus, der vielfach angeregt ist von Texten aus Literatur und Philosophie, von Gedichten, Prosastücken und Betrachtungen. In diesem persönlichen Duktus von Geste und Hand stellt sich die Verbindung von Schreiben und grafischen Formfindungen, von Kalligraphie und gestischem Lineament als quasi naturgegebenes Phänomen dar. Die sprachliche Quelle wird zum auslösenden Moment der Formgebung, Worte und Buchstaben finden ihre Umsetzung in der spontanen Setzung von freien Farblinien und Schraffuren.

Dazu kommt bei Christa Frey die Bedeutung der Farbe, nicht nur in den Leinwandbildern, sondern auch in den kleinen und großen Arbeiten auf Papier. Auch die Farbe spielt in ihrer Verwendung eine mehrfache Rolle – eingesetzt als Farblinie, verdichtet zu einem Farbgeflecht, oder als sichtbare Pinselbahn in die Fläche gebreitet, dünn in Rinnsalen, den sog. Trielen herablaufend, in Schichten aufgetragen und geritzt, gespachtelt und gekratzt, gewalzt und übermalt. Auf den Leinwänden finden grafisch-lineares und malerisches Farbgeschehen in den Kompositionen zusammen.
Bei ihrem künstlerischen Tun ist für Christa Frey die Verbindung von Aktion, von Bewegung in ihrem Erleben, ihrer Befindlichkeit das ausschlaggebende Moment. Die Gestaltung folgt ihrer emotionalen inneren Notwendigkeit. Dabei ist nicht unerheblich, dass Christa Frey als Musikerin ausgebildet und professionell tätig war – Rhythmus und Melodie spielen in ihren Arbeiten eine prägende Rolle.

Das gelbgrundige Bild („Schriftstück 5“, 2011, 100 x 80 cm) mit seiner strahlenden Wirkung schafft durch seine skripturalen Verdichtungen aus grünem Linienduktus,  feinen schwarzen Linien und roten Farbspuren und dem darüber gelegten intensiv verdichteten weißen Gittergeflecht einen Bildraum, der unseren Blick anlockt, ins Bild einzusteigen, dem Verlauf der Trielen nach unten zu folgen und hinter oder besser unter das weiße Liniennetz zu schauen.
Hier zeigt sich eine der typischen Bildanlagen, die in vielen Formaten variiert werden kann: Das Grundformat  des Bildes wird durch eine oberste Linienschicht wiederholt, wie das auch in den beiden kleineren Formaten („Schriftstück 1 und 2“) zu sehen ist, die in ihrer Quadratform den Farbwechsel Grün/Blau als Pendant vortragen. Diese Art der Gestaltung behandelt die Frage von Figur und Grund im Format des Tafelbildes durch eine skripturale Farbformsetzung, wie sie in vielen Werken der Kunst seit den 50er Jahren sich im kollektiven Gedächtnis eingeschrieben hat.

Auch das Doppelformat, Titel: „Kern“ von 2010, das aus zwei Blättern besteht, die im Arbeitsprozess nebeneinander gelegt zu einem Bildraum wurden, zeigt sich als gelungene Formfindung mit skripturalen Bildelementen. Eindeutig geprägt ist die Arbeit jedoch von breiten schwarzen Tuschepinselbahnen, die mit großen Schwüngen eine ovale Form umkreisen, aus der ein heller Linienkeil hervorstößt. Feine Silberstiftlinien sind links über die sich verdichtenden Tuschebahnen gelegt. Die kraftvolle Dynamik führt die beiden Bildhälften auch über die trennende Rahmung zusammen.

Ganz anders die Bildlösung des großen vierteiligen Querformats von 2005, das mit seinem Titel „Indiansummer“ auf die Farbgebung mit Grün, Gelb und Orangetönen anspielt. Eine formale Besonderheit ist die nichtsymmetrische Anlage des Bildes: Seine vier Bildteile sind unterschiedlich dimensioniert – der von links gesehen dritte Leinwandteil ist breiter als die übrigen – und sind daher frei von hierarchischen Strukturen. So korrespondiert dieser formale Aspekt sehr gut mit der inneren Beweglichkeit der Komposition.
Die als Bildgrund angelegten Farben Grün, Gelb und Orange sind aufgelichtet durch einen oft opaken,  halbtransparenten Weißauftrag. … Zudem sind Gittergeflechte aus weißen und farbigen Lineamenten als Bildelemente an verschiedenen Stellen des Gesamtformates eingesetzt. Auch weitere kleine Farbeinschübe aus Rot und Schwarz tragen zum lebendigen Farbeindruck bei.

Diese Leichtigkeit der Bildanlage wird nun gehalten durch eine Struktur, die im Werk von Christa Frey bisher einzigartig ist und dem Bild eine besondere Wirkung verleiht. Über das leuchtende Farbgeschehen ist großzügig eine Art helles Netz gelegt, das den Blick auf verschiedene Farbinseln fokussieren kann, die Wahrnehmung der Farbanlagen darunter aber insgesamt nicht beeinträchtigt. Die offene organische Netzstruktur führt überall zu den Bildrändern, so dass sie jenseits dieser Begrenzungen fortgesetzt gedacht werden könnte.
Damit schafft Christa Frey kompositionelle Bedingungen, das Bildformat in alle Richtungen auszudehnen, sich im Sinne eines seit Jackson Pollock gängigen „allover“ ein riesiges virtuelles Bild vorzustellen. So führt die Arbeit über die Begrenzung des traditionellen Tafelbildes hinaus und leistet zugleich eine großzügige Zusammenschau der charakteristischen Gestaltungselemente von Linie und Farbfläche in der Bildsprache von Christa Frey.

Seit ihrem Studium an der Freiburger Freien Hochschule für Graphik-Design und Bildende Kunst vor 15 Jahren ist  ein vielschichtiges, handwerklich gekonntes und emotional berührendes Werk entstanden: Bilder, denen allesamt Klänge unterlegt zu sein scheinen, ja, die selber klangvoll sind.

Von jeher zeigten sich die Maler fasziniert von der Musik, von ihrer Immaterialität, ihrer Unabhängigkeit von der Welt des Sichtbaren und jener Verpflichtung zur Reproduktion, welche die Entwicklung der Kunst über Jahrhunderte grundierte. Nahezu gleichzeitig durchbrachen Musik- und Malkunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Grenzen der Gegenständlichkeit bzw. der Tonalität. Die Folge war eine bis dato einzigartige, gegenseitige Befruchtung und Inspiration. Claude Debussy sprach von Klangmalerei und der Geiger Paul Klee behauptete, die Malerei sei der Musik insofern überlegen, als das Zeitliche hier mehr ein Räumliches sei: Bilder als Fugen  –  Musik für die Augen, erlebbar nicht mehr in zeitlicher Abfolge, sondern in klingender Simultaneität.

So mögen uns Christa Freys aus tiefweichem Rot auftauchende Quadrate vorkommen wie eine langsam schwellende Tonfolge oder wie ein leuchtendes Crescendo.

…Zur Farbe, deren Stimmungswerte sie als erstes für sich fruchtbar machte, trat als entscheidendes Spannungsmoment bei Christa Frey schon früh die skripturale Linie  –  keineswegs in konterkarierender Absicht, sondern als aktuelles Lebenszeichen.

An seismographische Impulse ist zu denken, mehr als an den gleichmäßigen Schlag des Herzens und das Ticken des Metronoms. Immer aber geht es um die Übersetzung aufgenommener Reize in eine impulsive grafische Struktur. Dieses graphische Gestaltungselement verdankt Christa Frey dem Nachhall der Poesie und deren Übertragung in die eigene Handschrift.

Schon immer fühlte sie sich von Gedichten und Geschichten ganz unmittelbar berührt;  seit ihrer Jugend sammelt sie Lyrik. Beim Malen und Zeichnen tritt sie nicht nur in unmittelbaren Dialog mit der Wortkunst, und –  indem sie den Eindruck eines Gedichts in Farb- und Liniendynamik „übersetzt“, in prinzipielle Offenheit, Vieldeutigkeit, Zartheit und Fragilität, verleiht sie den Bildern selbst eine lyrische Note. Anders gesagt: Es gibt eine Wahlverwandtschaft zu Gebilden der Wortkunst, auch wenn Freys Skripturen nie wirklich gelesen werden können. Nirgends gibt es Zitate, nie entsteht der Eindruck von Illustration. … Christa Freys Arbeiten bilden nichts ab und repräsentieren, obwohl durch konkrete Anlässe und Erlebnisse inspiriert, nichts außerhalb ihrer.

Was sie jedoch authentisch übermitteln sind Stimmungen, individuelle Gefühle, charakterliche Dispositionen, wie eine grundsätzlich positive Lebenshaltung. Sucht man nach begrifflichen Zuordnungen, so sind diese Bilder am ehesten der lyrischen Abstraktion zuzurechnen. Doch von was sollte hier abstrahiert werden?

Wie ein gelungenes Gedicht ziehen auch diese Bilder ihren Reiz nicht aus rhetorischer Brillanz, also gezielten Oberflächenreizen, sondern aus einer Vertiefung der Wahrnehmung – im selbstverständlichen Zusammenklang ihrer Teile. Gute Bilder bannen – und der Betrachter sieht sich nicht leicht an ihnen satt. Ob und in welchem Maße sich diese Wirkung auch eingebauten Widerhaken, Ecken und Kanten verdankt, darüber lässt sich streiten. Ohne Spannung: arrangierte Kontraste und austarierte Widersprüche geht es aber wohl nicht…

…Christa Freys besonderes Talent liegt zweifellos in der Grafik. Wie Gravuren oder kalligraphische Zeichen wirken die ihren Farbflächen optisch vorgelagerten Krakelees, „Schriftzüge“ die keine sind, die zur Deutung des Bildes nichts, zu seiner Verlebendigung aber alles beitragen. Musikalisch gibt die Grundfarbe gewissermaßen die Tonlage vor, während die rhythmisch steigende und fallende Linie die Melodieführung übernimmt. Vor allem in jenen Bildern, deren Spannung aus dem Wechsel von Horizontal- und Vertikalstruktur entsteht.

Eng gestaffelt oder ineinander verwoben kann das graphologische Gefüge ebenso auch in die Höhe wachsen  –  auf großen schmalen Papierbögen, die an ostasiatische Gebetsfahnen und Rollbilder erinnern,  –  allein ihr schmales Format verleiht ihnen eine feierliche Anmutung. Verbreitert sich die Tusche-„Schrift“, wächst auch der spontane, impulsive Charakter der Zeichnungen, die frei vor dem weißen Bildgrund schweben.

Wer dächte bei den zarten Rhythmuslinien nicht an Notationen, auch wenn die Musikerin konsequent auf Zeichen verzichtet….  Gern kontrastiert sie die mit breitem Pinselzug geschlossene Form – die unwillkürlich an Zen-Kalligraphie erinnert – mit feinnervig dünnen Krakelees, welche eine Vordergrundzone vorzugeben scheinen. Raumwirkung erzielt Frey in diesen Tuschen zum einen durch die unregelmäßig gesättigte grauschwarze Pinselbahn, zum anderen die quasi vorgespiegelten rot-schwarz-grauen Lineaturen, die sich wie dünne textile Fäden oder Spontanschriften ausnehmen. Gerade in Punkto Bildraumgestaltung ist der Variationsvielfalt keine Grenze gesetzt.

Evozieren die skripturalen Linien und Gespinste den Eindruck von Spontaneität, von aktuellem Selbstausdruck, suggerieren mitunter leidenschaftliche Kommentare, setzt der Farbklang – ein leuchtendes Orangegelb oder ein energetisches Blutrot – zu diesen nervösen Gebilden einen Kontrapunkt.

In ihren frühen Streifenbildern lässt die Malerin gleichmäßig rote Balken in eine Struktur kleinteiliger Pinselstriche laufen, wobei das Rot seine Transparenz erweist. „Tagschnüre“ hat sie dieses Bild benannt, das entfernt an eine Flagge erinnert. Die harmonisierte Spannung zwischen bewegten, offenen und geschlossenen Formen, mehr oder minder homogenen Farbflächen und tanzenden Linien, dunklen und lichten Passagen – dies sind die Ingredienzien von Christa Freys Bildkunst…

Natürlich kommt es auch auf die rechte Dosierung, sprich:  Komposition an. Am stärksten erscheinen mir die Werke dort, wo Spontaneität und Komposition, Konstruktion und Intuition so selbstverständlich ineinander spielen, dass ein geschlossen meditativer Gesamteindruck entsteht. Man darf gespannt sein, wohin ihre Linie sie noch führt.

Stefan Tolksdorf

…Die Schrift steht ja, seit ihrer Loslösung von der Bilderschrift, dem transportierten Inhalt … unbeteiligt und indifferent gegenüber. Trotzdem hat man seit Jahrhunderten versucht, durch besondere Ausschmückung und Typographie auch die Bedeutung des Inhalts direkt in der Schriftausführung aufscheinen zu lassen. In den Ornamenten der islamischen Welt und der künstlerischen Kalligraphie – der asiatischen Schrift – hat das sogar zu einer eigenen künstlerischen Überhöhung und Überbetonung der Schriftform geführt. Nicht zuletzt ist das Wort Grafik, das die Techniken beschreibt … vom griechischen Wort „gràphein“, „schreiben“, abgeleitet.

In dieser Welt der Schrift … bewegt sich Christa Frey souverän. Texte, ihre Aussage, ihre Form, ihr Rhythmus können Ausgangspunkt oder Thema von Bildern werden. Dabei verliert die Schrift, in der sie eigentlich im Original geschrieben sind, ihre direkte Lesbarkeit. Sie wird transformiert und gewinnt eine neue Art der Verständlichkeit. Das Nacheinander der Schriftinformation, dieses von links nach rechts oder von oben nach unten lesen weicht einer Gleichzeitigkeit. Man erkennt Geflechte, Gespinste, Cluster und Zeichen, die in eine bestimmte Richtung weisen.

Das, was wir aus der Musik kennen, nämlich der Akkord, ist plötzlich möglich…

Gleichzeitig wird die Verbindung zu den Ausdrucksformen der Malerei geschaffen. Christa Frey bearbeitet erste Skizzen … durch verschiedene Techniken… Die Materialqualität … ist dabei Reiz und Herausforderung…  Die schriftähnlichen Linien liegen nun nicht mehr auf weißem Grund, sondern durchqueren einen dreidimensional strukturierten Farbraum oder kontrastieren mit ihrer Zartheit zu massiven Farbkörpern.

…In diesem Sinne sind diese Bilder auch interpretierbar wie ein Gedicht. Die Emotionen, die sie auslösen, können flüchtig sein und sie können von Tag zu Tag unterschiedlich sein, wie bei einem Musikstück.

Die gewollte Mehrdeutigkeit ist ja ein Charakteristikum neuzeitlicher Kunst. Sie macht ihren Reiz aus und erzeugt das, was wir oft als zeitlos charakterisieren…

Dr. Rainer Huschens

…Die verschiedenen Schriftausführungen … entwickeln unwillkürlich ein Ausdrucksspektrum, das weit über seine graphische Qualität hinausgeht. Man meint, ein Gewirr menschlicher Stimmen vor sich zu haben…

In ihrer Arbeitsbeschreibung zu dieser Ausstellung schreibt Christa Frey: „Das Stimmengewirr einer Menschenmenge ist für mich wie das Stimmen der Orchesterinstrumente vor dem Konzert. Es ist ein Geflecht von Wort-Teilen, Wort-Stücken. Die Geräusche überlagern sich, treten vereinzelt hervor oder versinken in der Menge.“

… Ihre Schriftbilder stellen die Gedichte oder Texte nicht dar, sie verkörpern sie vielmehr…

Dr. Tobias Wall

… In den Arbeiten von Christa Frey finden wir … eine Art „roten Faden“. … Sie spannt in ihren Bildern einen weiten Bogen, der sich fast durchgängig auf Schriftzeichen anmutende Liniengebilde zurückführen lässt.

… Christa Frey verwebt ihren Impuls zur Schrift, zur Gestaltung der Linie zu einem Gespinst von Spuren… Wie Kratzspuren auf einer alten Schulbank, die uns Geschichten erzählen, die wir nur noch erahnen können und uns trotzdem bekannt vorkommen. Nicht darauf achtend, was vorher schon da war. Es sind Spuren einer Art seismografischer seelischer Genese, die sich unserem direkten, intellektuellen Verstehen entzieht.

Gegen den Zufall spricht hier allerdings die hohe ästhetische Perfektion, mit der sie an den Bildaufbau herangeht. Bei aller Lockerheit wirkt es gefasst und gespannt. Die Entwicklung der Formen, der Gestus, die Komposition sind gesetzt, eindeutig und manchmal fast monolithisch im Ausdruck. Sie bekommen dadurch eine Präsenz, die uns als Betrachter fordert. Uns an Landschaften erinnert, die durchbrochen werden von Gesten, gegenläufigen Spuren und nicht zuletzt dadurch einen höchst dynamischen Eindruck hinterlassen. So erscheint die Dynamik als einer der zentralen Impulse der Arbeiten von Christa Frey: Heftig, impulsiv und wieder ganz leise, fast überhörbar…

Prof. Dr. Harald Gruber

„Das sind fast gemalte Partituren“ hat ein Vernissage-Besucher gesagt und damit trefflich beschrieben, wie in den Werken von Christa Frey Schriften und Farben eine Symbiose bilden…

Christa Freys Arbeiten bewegen sich im Grenzbereich von Schrift und Bild, wo abstrakte Linien in einem luftigen Gewebe zum skripturalen Bild werden…

Dabei eröffnen sich imaginäre Welten, die der Fantasie keine Grenzen zu setzen scheinen. Spiegelt sich das Orange etwa wie ein Sonnenaufgang in einer Wasseroberfläche? Sind das noch Morgennebel, die sich verflüchtigen?

Häufig haben auch hier spitze und meist temperamentvoll geführte Federn oder Pinsel ihre Linien hinterlassen. Sind es Zeichen aus der Literatur oder der Hinweis auf die Musik? Zumindest so etwas wie ein „roter Faden“, der alle Bilder der Ausstellung von Christa Frey zusammenhält.

Ulrike Ehrlacher-Dörfler

…Mit den heute hier ausgestellten Werken steht die Künstlerin einer Form der musikalisch inspirierten, tachistischen Abstraktion nahe…

… Neben der Natur und der Musik gibt es noch einen weiteren wichtigen Ansatzpunkt. Christa Frey hat eine sehr ausdrucksstarke Handschrift und interessierte sich schon immer stark für die Schriftkünste. Als freie Mitarbeiterin hat sie für ein Grafikbüro gearbeitet und Kurse für experimentelle Kalligraphie in Basel belegt. Noch in den späten 90er Jahren waren ihre Kompositionen sehr farbig und expressiv, die Farbe wurde heftig, in großen Malgesten aufgetragen. Es fanden sich jedoch bereits kleinere, winzige Einsprengsel von Schrift. Inzwischen … sind die Kompositionen ruhiger geworden. Zumeist dominiert eine leuchtende Farbe, und in ihrer gesteigerten Ausdruckskraft hat sie die Funktion dieser – zuvor so zupackenden Malgeste übernommen und klingt mit den Formungen der Linie zusammen.

Es geht aber nicht nur um formale Möglichkeiten der Schrift. Es geht auch um die Inhalte, die sie zu artikulieren im Stande ist. Schon seit Jahrzehnten sammelt sie Gedichte und seit dem 11. September 2001 finden diese Texte Eingang ins Bild. Auch literarische Stoffe treiben die Künstlerin also an und sie wirken bei der Gestaltung des Bildes wie ein Katalysator. Über den Inhalt dieser Texte möchte ich nichts weiter sagen, denn im Laufe des Malprozesses tritt eine Verselbständigung ein und die durch den Text erwirkte Gefühlsstimmung wird in Farbe und Form transformiert.

… Wir finden Anklänge an Strukturgeflechte, Wortgespinste, nehmen das Fragmentarische einzelner Niederschriften wahr. Auf dem Bildgrund verbinden sich diese Assoziationen zu vollkommen neuen Inhalten.

Dr. Antje Lechleiter

… Zu einer sehr lyrischen Form der kalligraphischen Abstraktion hat Christa  Frey gefunden. Über die Natur, über Literatur und Musik empfängt die Künstlerin vielfältige Anregungen, die in heftig bewegten Bildzeichen, hellen und ruhigen, sowie intensiv leuchtenden Farbflächen verarbeitet werden.

Über die Verbindung von bildender Kunst und Musik, also vom „Klang der Bilder“ ist viel geschrieben worden. In Christa Freys Malerei und Grafik wurde nun auch der Rhythmus eines Gedichtes, die Vielschichtigkeit einer Erzählung, der Anfang und das Ende eines Textes in Farbe und Form verwandelt. Der ursprüngliche Inhalt ihrer Textquelle spielt nach dieser Transformation aber keine Rolle mehr, denn das Bild verlangt nach einer veränderten Form der Auseinandersetzung…

Dr. Antje Lechleiter

…Der Betrachter der Malerei von Christa Frey in der Galerie N. der Kunstvereinigung Wasgau im alten Dahner Rathaus sieht Bilder von Licht, von Hoffnung, … aber auch von stillen, besinnlichen Momenten. Nicht nur die Farben sprühen von Leben. Auch die Bilder erzählen vom Aufbruch, von einer kraftvollen, fast ungezügelt anmutenden Malerei aus einer inneren Notwendigkeit heraus, einer Form der Sprache, wie es die Malerei sein kann.

Ein Blick auf den bisherigen Lebensweg von Christa Frey verdeutlicht, dass ihr Leben stets mit den Künsten verwoben war. Ihrem Studium der Malerei an der Freien Hochschule für Graphik-Design und Bildende Kunst in Freiburg in der Klasse von Peter Ben Hübsch, einem ehemaligen Peter Dreher-Schüler, geht ein Musikstudium an der Bundesakademie in Trossingen voraus und eine langjährige Tätigkeit als Musiklehrerin.

Seit 1995 widmet sie sich ausschließlich der Malerei…

Peter Johann

… Die Kunst Christa Freys lebt, wie der Titel ganz richtig definiert, von und aus der Farbe. Und sie tut das mit einer Intensität, als wollte sie die Reinheit eines puren Rot, eines unerhört grasigen Grüns noch energetisch steigern. Da klingt tatsächlich Musik durch und zwar so, als spielte jemand nur die klaren, ungegriffenen Klänge – Naturtöne, leere Saiten, blankes Blech.

Anflüge von Kalligrafie wirbeln wie Schneeflocken oder letzte Worte eines asiatischen Tuschemalers vor den Augen. Auch die verweigern bekanntlich den einfachen Zugriff. So ist das St. Josefshaus mit dieser Ausstellung außerordentlich schön und doch verrätselt ausgestattet…

rK

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